bauhausbuch 08 

l. moholy-nagy

malerei photographie

film

1925

 

schriftleitung

walter gropius   

l. moholy nagy

Besondere Probleme hatten Neue Typografen wie Moholy mit der »typografischen Starre«. Buchdruck legte den Gestalter eben auf ein orthogonales Raster fest, oder der Satz verursachte enorme Kosten. Außerdem kostete jedes Bild, das gesetzte Schrift tragen sollte, einen zweiten Druckvorgang – es sei denn, das Bild enthielt bereits die Schrift.

 

»Typofotos« wie das Fotogramm "Broom" oder die Anzeige aus »Vanity Fair«, die in Band 8 abgebildet sind, bieten eine solche Lösung.

 

Für das Cover zu diesem Buch nahm er den Überdruck des Bildes in Kauf, suchte aber nach einer Möglichkeit, die Beschriftung im Bildraum zu integrieren.

 

Dazu bat er den Drucker um folgende Probedrucke: zinnoberrote Schrift auf schwarzem Fotogramm und ultramarinblaue Schrift auf braunem Fotogramm. Das Ergebnis: die Schrift bildete noch immer eine separate Schicht. Daraufhin ließ er die Zeilenfarben ändern: Die Worte »Malerei« und »Film« sollten weiß werden, der Rest der Schrift rot bleiben.

 

»Bei diesem Probeabzug aber sehe ich, daß dadurch die zwei Wörter viel stärker hervorspringen, als ich es beabsichtigt habe.« (Kat.-Nr. 162, A+O.) So ordnete er zum Schluß das vorspringende Weiß den anderen beiden Wörtern zu, die –ohnehin von vielen Spatien perforiert –optisch ein gebrochenes Weiß erzeugen, das weit weniger hervorspringt. Alle Zeilen verlassen so ihre separaten Layer. Die Wörter, nun ihrer gemeinsamen Grundfläche beraubt, werden zum Teil eines komplett künstlichen Raumes, der sich im Fotogramm fortsetzt.

 

Ute Brüning

 

 

(veränderte Aufl. 1927 unter dem Titel Malerei Fotografie Film)​

Von der Pigmentmalerei bis zum reflektorisch geworfenen Lichtspiel grenzt L. Moholy alle Teilgebiete ab. Eine Folge von 70 Photographien in schönster Folgerichtigkeit: Momentphoto, Bildphoto, Simultanphoto, Typohoto, Photogramm, Photoplastik, Film und Trickfilm. Dazu eine Filmpartitur »Dynamik der Großstadt«. Das Buch der sinngemässen Wiedergabe aller optischen Erscheinungen der realen Welt. Es ist eindeutig und vollwertig.

SKIZZE ZU EINEM FILM

GLEICHZEITIG TYPOFOTO

L. MOHOLY-NAGY

László Moholy-Nagy, Filmskizzen zu „Dynamik der Groß-Stadt. Bauhaus-Buch Band 8
László Moholy-Nagy, Filmskizzen zu „Dynamik der Groß-Stadt. Bauhaus-Buch Band 8
László Moholy-Nagy, Filmskizzen zu „Dynamik der Groß-Stadt. Bauhaus-Buch Band 8
László Moholy-Nagy, Filmskizzen zu „Dynamik der Groß-Stadt. Bauhaus-Buch Band 8
László Moholy-Nagy, Filmskizzen zu „Dynamik der Groß-Stadt. Bauhaus-Buch Band 8
László Moholy-Nagy, Filmskizzen zu „Dynamik der Groß-Stadt. Bauhaus-Buch Band 8
László Moholy-Nagy, Filmskizzen zu „Dynamik der Groß-Stadt. Bauhaus-Buch Band 8

BAUHAUSBUCH 08 

L. MOHOLY-NAGY MALEREI PHOTOGRAPHIE 

FILM

1925

 

schriftleitung

walter gropius   

l. moholy nagy

Die Manuskriptskizze »Dynamik der Groß-Stadt« entstand im Jahre 1921—22. Ich wollte sie zusammen mit meinem Freunde Carl Koch, der mir zu dieser Arbeit viele Anregungen gegeben hat, durchführen. Wir sind leider bis heute nicht dazu gekommen; sein Film Institut hatte kein Geld dafür. Größere Gesellschaften wie die UFA wagten damals das Risiko des bizarr Erscheinenden nicht; andere Filmleute haben trotz der guten Idee die Handlung darin nicht gefunden und darum die Verfilmung abgelehnt.

 

Einige Jahre sind vergangen und unter der ursprünglich revolutionär wirkenden These von dem FILMMÄSSIGEN, d. h. unter dem aus den Möglichkeiten des Aufnahmeapparates und der Bewegungsdynamik entstehenden Film kann sich heute ein jeder etwas vorstellen. 1924 wurden solche Filme in Wien auf dem Internationalen Theater- und Musikfest von Fernand Léger, in Paris von Francis Picabia aufgeführt.

 

Amerikanische Lustspielfilme enthalten zum Teil ähnliche filmmäßige Momente und man kann sagen, daß jetzt schon alle guten Filmregisseure sich um die Ergründung der nur dem Film eigenen optischen Wirksamkeit bemühen und dass die heutigen Filme viel mehr auf Bewegungstempo und Kontraste des Hell Dunkels und der verschiedenen optischen Sichten aufgebaut sind als auf eine theatralische Handlung. (…)

DYNAMIK DER GROSS-STADT 

Der Film »Dynamik der Groß-Stadt« will weder lehren, noch moralisieren, noch erzählen; er möchte visuell, nur visuell wirken. Die Elemente des Visuellen stehen hier nicht unbedingt in logischer Bindung miteinander; trotzdem schließen sie sich durch ihre fotografisch visuellen Relationen zu einem lebendigen Zusammenhang raumzeitlicher Ereignisse zusammen und schalten den Zuschauer aktiv in die Stadtdynamik ein.

Kein (Kunst-) Werk ist durch die Nebeneinanderreihung seiner Elemente erklärbar. Die Totalität der Nebeneinanderreihung, die sichere Bezogenheit der kleinsten Teile untereinander und auf das Ganze sind die Imponderabilien der Wirkung. So kann ich nur einige Elemente dieses Films erläutern, damit man wenigstens nicht über filmisch selbstverständliche Begebenheiten stolpert.

Ziel des Filmes: Ausnutzung der Apparatur, eigene optische Aktion, optische Tempogliederung, – statt literarischer, theatralischer Handlung: Dynamik des Optischen. Viel Bewegung, mitunter bis zur Brutalität gesteigert.

Die Verbindung der einzelnen, »logisch« nicht zusammen gehörenden Teile erfolgt entweder optisch, z. B. mittels Durchdringung oder durch horizontale oder vertikale Streifung der Einzelbilder (um sie einander ähnlich zu machen), durch Blende (indem man z. B. ein Bild mit einer Irisblende schließt und das nächste aus einer gleichen Irisblende hervortreten läßt) oder durch gemeinsame Bewegung sonst verschiedener Objekte, oder durch assoziative Bindungen.

Balkons. Die optische Wahrheit des perspektivischen Aufbaus. Foto: Moholy-Nagy
Kameralose Aufnahme. Die Kontrastbeziehungen zwischen Schwarz-Weiß mit den feinsten Grauübergängen. Fotogramm: Moholy-Nagy​
Photogram, 1923–1925. © The Moholy-Nagy Foundation, Inc.
Fotogram, 1923 - 1925. Silber-Gelatine-Abzug ©The Moholy-Nagy Foundation​
Titelgestaltung: László Moholy-Nagy, Probedruck des Buchumschlags, 1925. ©Kunstbibliothek, Staatliche Museen zu Berlin
László Moholy-Nagy, Gestaltung für die Bauhausbücher, 1919. Aus: Wohin geht die typographische Entwicklung, Tafel 22, 1929. © Kunstbibliothek, Staatliche Museen zu Berlin​
László Moholy-Nagy, Gestaltung für die Bauhausbücher, 1919. Aus: Wohin geht die typographische Entwicklung, Tafel 22, 1929. © Kunstbibliothek, Staatliche Museen zu Berlin​

MOHOLY-NAGY ALS WERBEGRAFIKER 

Besondere Probleme hatten Neue Typografen wie Moholy mit der »typografischen  Starre«. Buchdruck legte den Gestalter eben auf ein orthogonales Raster fest, oder der Satz verursachte enorme Kosten. Außerdem kostete jedes Bild, das gesetzte Schrift tragen sollte, einen zweiten Druckvorgang – es sei denn, das Bild enthielt bereits die Schrift.

 

»Typofotos« wie das Fotogramm Broom oder die Anzeige aus Vanity Fair, die in Band 8 abgebildet sind, bieten eine solche Lösung.

Für das Cover zu diesem Buch nahm er den Überdruck des Bildes in Kauf, suchte aber nach einer Möglichkeit, die Beschriftung im Bildraum zu integrieren.

 

Dazu bat er den Drucker um folgende Probedrucke: zinnoberrote Schrift auf schwarzem Fotogramm und ultramarinblaue Schrift auf braunem Fotogramm. Das Ergebnis: die Schrift bildete noch immer eine separate Schicht. Daraufhin ließ er die Zeilenfarben ändern: Die Worte »Malerei« und »Film« sollten weiß werden, der Rest der Schrift rot bleiben.

 

»Bei diesem Probeabzug aber sehe ich, daß dadurch die zwei Wörter viel stärker hervorspringen, als ich es beabsichtigt habe.« (Kat.-Nr. 162, A+O.) So ordnete er zum Schluß das vorspringende Weiß den anderen beiden Wörtern zu, die – ohnehin von vielen Spatien perforiert – optisch ein gebrochenes Weiß erzeugen, das weit weniger hervorspringt. Alle Zeilen verlassen so ihre separaten Layer. Die Wörter, nun ihrer gemeinsamen Grundfläche beraubt, werden zum Teil eines komplett künstlichen Raumes, der sich im Fotogramm fortsetzt.

 

Ute Brüning