bauhaus zeitschrift für gestaltung 3

Dezember 1931​

 

herausgeber: bauhaus dessau  schriftleitung

w. kandinsky

in paul klee verliert das bauhaus einen bedeutenden künstler, einen hervorragenden pädagogen und das uner­setzlichste, eine große persönlichkeit, 
und wir alle verlieren in ihm einen wirklichen freund.

 

mies van der rohe​

diese nummer der bauhaus-zeitschrift ist paul klee gewidmet. 

 

die veranlassung ist klees fortgang vom bauhaus. es wäre mir lieber, den auftrag meiner bauhauskollegen, diese nummer zu redigieren, aus einem entgegengesetzten grund zu übernehmen - nicht fortgang, sondern rückkehr. 

 

volle zehn jahre war die arbeit am bauhaus eng mit der tätigkeit klees an unserem institut verknüpft. solche verbindungen reißen nicht schmerzlos.

 

das fühlen intensiv alle bauhausangehörigen – lehrer und studierende, besonders die, welche am unterricht klees teilnahmen.

 

ich weiß, daß es auch klee selbst nicht leicht fiel, sich zum riss zu entschließen.

 

was mich persönlich anlangt, erlaube ich mir, auch etwas subjektives auszusprechen.

 

vor mehr als 20 Jahren zog ich in münchen in die ainmiller-straße und erfuhr bald, dass der junge maler, der gerade mit erstem erfolg in der galerie thannhauser debutierte, paul klee, fast haus an haus neben mir wohnte. wir blieben bis zum ausbruch des krieges nachbarn und aus dieser zeit stammt der anfang unsrer freundschaft. der krieg sprengte uns aus­einander. erst nach acht jahren führte mich das schick­sal ans bauhaus in weimar und so wurden wir – klee und ich – zum zweiten mal nachbarn: fast nebeneinander lagen unsre ateliers im bauhaus. bald wieder eine spren­gung: das bauhaus flog mit einer geschwindigkeit aus weimar heraus, um die es ein zeppelin beneiden könnte. diesem flug verdanken klee und ich die dritte und die engste nachbarschaft: über fünf jahre wohnen wir dicht aneinander. nur eine brandmauer trennt unsre wohnungen, wir können uns aber trotz der mauer und ohne das haus zu verlassen besuchen – ein kurzer gang durch den keller. bayern –thüringen – anhalt. was weiter? aber auch ohne kellergang bleibt die geistige nachbarschaft bestehen

 

für klee ist das bauhaus bereits erinnerung geworden. aber so bald vergisst er es nicht. fast vom allerersten anfang hat klee das schicksal dieses viel geprüften instituts miterlebt und geteilt: die anfänglichen »heroischen« zeiten, als die jungen menschen fast durchwegs die wander­vogelgestalt liebten – lange haare, die schon nach wenigen tagen immer kürzer wurden, decolletierte brust, die bald einen schlips bekam, sandalen, die sich später sogar in lackschuhe umwandelten.

 

dies war nur die äußere und vorübergehende seite des bauhäuslers. innerlich war er schon damals ein junger mensch, der mit ausdauer und ernst an der gestaltung des neuen wohnwesens mitzuarbeiten suchte, ernst stu­dierte und die schöpferische idee verehrte. wenn klee nicht direkt auf die kürzung der haare wirkte, so ent­wickelte sein wort und seine tat, sein eigenes beispiel die inneren positiven seiten des studierenden im hohen maße.

 

das wort allein ist schwach, wenn es nicht durch das tat­kräftige, offenliegende beispiel unterstützt ist. am beispiel der restlosen hingabe an seine arbeit können wir alle bei klee lernen. und haben bestimmt gelernt.

 

damit treten nicht nur die rein künstlerischen, sondern auch die rein menschlichen qualitäten in den vordergrund. diese letzteren sind nicht so auffallend und ihr einfluss nicht so leicht zu bemerken. doch lehrt mich meine pädagogische erfahrung, dass die jugend (wenn auch oft unbewusst) für menschliche eigenschaften des lehrers nicht weniger lebendiges interesse hat, als für seine sonstigen qual1täten – die künstlerischen, wissenschaftlichen usw.

 

jedes wissen ohne menschliche basis bleibt auf der oberfläche: die quantität (anhäufung von kenntnissen) wächst, aber die qualität (die befruchtende kraft der kenntnisse) bleibt unverändert. das wachsen des äußeren quantums führt manchmal zu innerer »O«, nicht selten zum »minus«.

 

klee verbreitete am bauhaus eine gesunde, befruchtende atmosphäre - als großer künstler und als klarer, reiner mensch. das bauhaus weiss es zu schätzen.

 

kandinsky

iwao und michiko

yamawaki

bauhaus zeitschrift für gestaltung 3

dezember 1931​

 

herausgeber: bauhaus dessau  schriftleitung: w. kandinsky

 

diese nummer der bauhaus-zeitschrift ist paul klee gewidmet. 

 

die veranlassung ist klees fortgang vom bauhaus. es wäre mir lieber, den auftrag meiner bauhauskollegen, diese nummer zu redigieren, aus einem entgegengesetzten grund zu übernehmen - nicht fortgang, sondern rückkehr. 

 

volle zehn jahre war die arbeit am bauhaus eng mit der tätigkeit klees an unserem institut verknüpft. solche verbindungen reißen nicht schmerzlos.

 

das fühlen intensiv alle bauhausangehörigen – lehrer und studierende, besonders die, welche am unterricht klees teilnahmen.

 

ich weiß, daß es auch klee selbst nicht leicht fiel, sich zum riss zu entschließen.

 

was mich persönlich anlangt, erlaube ich mir, auch etwas subjektives auszusprechen.

 

vor mehr als 20 Jahren zog ich in münchen in die ainmiller-straße und erfuhr bald, dass der junge maler, der gerade mit erstem erfolg in der galerie thannhauser debutierte, paul klee, fast haus an haus neben mir wohnte. wir blieben bis zum ausbruch des krieges nachbarn und aus dieser zeit stammt der anfang unsrer freundschaft. der krieg sprengte uns aus­einander. erst nach acht jahren führte mich das schick­sal ans bauhaus in weimar und so wurden wir – klee und ich – zum zweiten mal nachbarn: fast nebeneinander lagen unsre ateliers im bauhaus. bald wieder eine spren­gung: das bauhaus flog mit einer geschwindigkeit aus weimar heraus, um die es ein zeppelin beneiden könnte. diesem flug verdanken klee und ich die dritte und die engste nachbarschaft: über fünf jahre wohnen wir dicht aneinander. nur eine brandmauer trennt unsre wohnungen, wir können uns aber trotz der mauer und ohne das haus zu verlassen besuchen – ein kurzer gang durch den keller. bayern –thüringen – anhalt. was weiter? aber auch ohne kellergang bleibt die geistige nachbarschaft bestehen.

 

für klee ist das bauhaus bereits erinnerung geworden. aber so bald vergisst er es nicht. fast vom allerersten anfang hat klee das schicksal dieses viel geprüften instituts miterlebt und geteilt: die anfänglichen »heroischen« zeiten, als die jungen menschen fast durchwegs die wander­vogelgestalt liebten – lange haare, die schon nach wenigen tagen immer kürzer wurden, decolletierte brust, die bald einen schlips bekam, sandalen, die sich später sogar in lackschuhe umwandelten.

 

dies war nur die äußere und vorübergehende seite des bauhäuslers. innerlich war er schon damals ein junger mensch, der mit ausdauer und ernst an der gestaltung des neuen wohnwesens mitzuarbeiten suchte, ernst stu­dierte und die schöpferische idee verehrte. wenn klee nicht direkt auf die kürzung der haare wirkte, so ent­wickelte sein wort und seine tat, sein eigenes beispiel die inneren positiven seiten des studierenden im hohen maße.

 

das wort allein ist schwach, wenn es nicht durch das tat­kräftige, offenliegende beispiel unterstützt ist. am beispiel der restlosen hingabe an seine arbeit können wir alle bei klee lernen. und haben bestimmt gelernt.

 

damit treten nicht nur die rein künstlerischen, sondern auch die rein menschlichen qualitäten in den vordergrund. diese letzteren sind nicht so auffallend und ihr einfluss nicht so leicht zu bemerken. doch lehrt mich meine pädagogische erfahrung, dass die jugend (wenn auch oft unbewusst) für menschliche eigenschaften des lehrers nicht weniger lebendiges interesse hat, als für seine sonstigen qual1täten – die künstlerischen, wissenschaftlichen usw.

 

jedes wissen ohne menschliche basis bleibt auf der oberfläche: die quantität (anhäufung von kenntnissen) wächst, aber die qualität (die befruchtende kraft der kenntnisse) bleibt unverändert. das wachsen des äußeren quantums führt manchmal zu innerer »O«, nicht selten zum »minus«.

 

klee verbreitete am bauhaus eine gesunde, befruchtende atmosphäre - als großer künstler und als klarer, reiner mensch. das bauhaus weiss es zu schätzen.

 

kandinsky